quantas iaculetur Monychus ornos
Juvenal
Es lässt sich kaum verbergen, dass PoliFem sein Thema den ersten Jahren dieses Jahrhunderts verdankt. Dieses Thema ist die Machtfrage, wie sie damals in äußerster Härte gestellt und bis heute nicht wirklich beantwortet wurde. Sie zieht sich durch alle Bereiche des zwischenstaatlichen, des öffentlichen und privaten Lebens hindurch, vergiftet hier eine Existenz, bläht dort eine zu unangemessener Größe auf, verschiebt Proportionen und streut Sand in die Augen der Akteure. Auch Scharfblick verdirbt. Polyphem-Niemand, ein »Bild der Macht, die darauf fixiert ist, herausgefordert zu werden, und blind jede Herausforderung annimmt.«
Juvenals Satiren sind keine Satiren im heutigen Wortsinn. Sie sind Bestandsaufnahmen, das Werk eines Ethikers. Ihre Stimme hat den Verfasser gestreift, er war versucht, dem so lange Toten etwas zurückzuerstatten, von dem er sich nicht überall sicher ist, es von dort erhalten zu haben.

Köln, im September 2009

Impressum

Ulrich Schödlbauer : PoliFem. Sat 1-5
Buchfassung: Heidelberg (Manutius) 2004
ISBN 3-934877-38-9
Leicht veränderte Netzfassung: Acta Litterarum 2009/2015
Alle Rechte beim Autor.

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Ulrich Schödlbauer: Schrift(art)en

Die Hand, Lady, die Hand –

haschend
aus einer Schwärze
nach einer anderen, halb-
halb sichtbar, noch einmal, noch –
rasch, zu rasch fürs Gehirn,
ein Streifen Haut, senkrecht, verschiebbar:
Wer nennt sowas Hand? Wer kann das entscheiden? Niemand
vielleicht, jedoch...
vorsichtig sollte man sein. Mag sein, er kreuzt
eines Tages hier auf und zieht seine Bahn
auf erstarrten Gesichtern. Denn, wirklich
nichts hält ihn auf.

Schwarz. Auch eine Farbe. Sie sehen heißt:
wissen, woran man ist.
Diese Schwärze hingegen
ist anders. Sie schwärzt die Wirklichkeit selbst.
Da nun liegt das Problem. Oder es läge dort,
wenn man es ließe, denn
im Land der Lösungen kehrt
es sich um. Ein Tröpfchen TRUSOPT, da liegt
die Wahrheit in der Mixtur, und COSOPT
weist den Weg, weist den Weg. Apropos Weg:
wir sind ihn gegangen, du oder ich oder wir
beide, getrennt. Dergleichen bedenken
lohnte fast nicht, obzwar es
unablässig geschieht, einfach
im Hören und Sehen, im Nebeneinander,
in der Verschlingung. Am hellen Mittag erscheint
Horus, einäugig, starr
den Blick auf die Zukunft gerichtet.
Guter Job, ernährt seinen Mann. Ohne Wahl
war es Erwählung vermutlich. Sicher
ist einer nie. Warum auch?

Warum denn nicht? Darin bestand doch der Weg,
darin besteht er noch immer. Sicher waren wir schon,
solange wir Grund hatten, Grund genug, oder ihn fanden.
Hatten wir ihn? Aus uns sprach das Leben
pur.

Lachhaft springt es sie an,
die es nicht teilten. Leben ist komisch.
So etwas sagt sich dahin, erstaunt fast
steigt es aus unbescholtenem Mund. Aber die Nach-
rückenden stehen uns schon in den Schuhen. Es läuft
sich schwer davon. Man kann sie verstehen. Außer, der Lärm
nimmt ganz überhand, dann muss man sich prügeln.

Psst – das Schweigen, wo ist es? Zum Teufel –?
Gegangen, auf leisen Sohlen gegangen.
Einfach... gegangen. ›Entweichen‹, Verb, dafür gäbe man gern
eine Sprache dahin: weich, weicher, entw... Welcome.
Im nächsten Körper, im nächsten.

Dieser, im Asselgang der Geschäfte,
gibt her, was er kann. Das ist viel, alles fast,
zu viel wahrscheinlich. Minderung
steht nicht zu hoffen. Sie kommt, wenn sie kommt,
unverhofft, Schlag auf Schlag. Kraftvoll steckt
im Zuviel das Zuwenig. Seitenverkehrt
buchstabiert es sich richtig. Wer keine Blöße besitzt,
sie zu bedecken, der ziehe
warm sich an: ihn trifft der Zorn des Geschlechts.
Menschens- ... Wie hieß das Wort? Zum Teufel, wer
hat hier das Sagen! Niemand? Einer zuviel,
ein Peiniger, auf den keiner
setzt, der nicht selber im Trockenen
säße, mit einwärts gewandten Sohlen.

Auch das will gelernt sein. Eher von selbst
kommt das Versehen. Wer sich einmal versah,
hat die Versprecher im Rücken. Schnell geht das,
im Handumdrehen, der Neid
vermag das Geringste:
an so einem Wort lernt
einer das Beißen oder
ein Nerv verlernt sich und stellt
sich lange Zeit tot. Wie lange? Für immer.

Sehen
am Leitfaden des Auges. Nicht das gesunde
ist hier gefragt. Auch die Hand
mischt sich ein, sie schreibt, was zu greifen
nahe lag, aber aus Gründen sich weigert.

Auge, sei still. Das ist nicht dein Revier, du sollst hier
keinen verbellen. Sanft fließt die Rede, die keine ist,
weit, ein Stück weit, vermischt mit entfernteren:
Mangel erst macht sie hörbar, ausgespart
zeigt sie Kontur, fast Härte, denn niemand
ist da, sie zu hören, ihr Brüllen trifft niemandes Ohr.
Schreib auf, mon cœur, was dir widerfuhr. Es entfernt sich
nicht so weit, wie du meinst, von dem,
was einer denkt, dem es die Sprache verschlug,
oder ein zweiter oder... – Das reicht! – Oder auch nicht. Viele
sind so. Erhöben sie ihre Stimmen,
flösse das Wasser bergauf. Das darf nicht sein. Ihr Schweigen, privatim,
deutet die Welt. Schreibe, wer will. An Lesungen
mangelt es nicht. Jeder tönt, wie es geht.
So kommt heraus, was üble Nachrede sonst
sorgsam verschweigt, denn
glaubhaft wäre sie gern. Allein an Lesern
mangelt es sehr. Wer kann, muss nicht, er hat
andere Sorgen. Im Knast, hört man, kreist die Legende,
dass Schreiben bessert: Chancen, wen sonst? Das muss man fördern.

Schreib auf. Schreibe den Epitaph:
Für die Freunde, die tot sind,
an Schulen verrottet, Konrektoren vielleicht,
Ranzenträger im Schlepp einer längst
beförderten Null. Für die Freunde, die tot sind,
ausgelagert aufs rollende Element,
die Pendler-Toten, denen das Dasein
komfortabel entgleitet. Für die Freunde, denen nichts zustieß außer...
gar nichts. Was nicht so selten geschieht. Auch das
wie jedes Geschehen, muss man bedenken.
Zwischen den Orten bröckelnden Grauens kurvt es sich sorglos.
Nichts sein zermürbt. Nicht von gestern auf heute,
aber von gestern auf morgen
tötet es zuverlässig. Schlimm wütet
der Stellungskrieg unter der Decke,
die jeden deckt; tagaus tagein erheben sich alle
neu, wie gehabt, keinerlei Schicksal
rafft sie dahin. Nur das Bewusstsein läuft Amok. Unblutig, außer
gegen sich selbst. Da zerschellt mancher Schädel
zwischen vier Wänden, ach, und das Pausenbrot klebt
an den Fingern. Gut, das lässt sich beheben. Mobil sind sie alle
und rasch aus dem Häuschen. Drinnen
sitzt die Geschiedene. Bedenke das Ende! Wie denn? Die Tochter
könnte häufiger kommen, allein
gegen die Mutter läuft nichts, und was aus dem Sohn wird,
geht den Vater nichts an. Er zahlt schweigend.

Das geht, wie es kam. Die Töchter und Söhne des Booms,
zu spät, zu früh. Demographische Masse, geschmäht
von Demagogen. Deren Klientel ist älter und jünger. Hochtrabend schon
in den Windeln. Sowas hält sich durch, selbst wenn die Prostata
neue Anreize schafft, Positionen
zu überdenken.

»Aus Fehlern lernen.«
»Wir haben das gemacht.«
»Damals dachten wir so, heute ... anders.«

Glückwunsch.

Besser ausgebildet, nüchtern von Anbeginn:
die gern Übergangenen. Eiliger
in die Jahre gekommen als in die berichtbare Vita.
Sprachlos noch immer. Vom Stimmbruch gezeichnet
bis auf den Grund.

Glückliche Siebziger. Wer hoch ansetzte, fand
sich schnell in den unteren Rängen.
Hart, beinhart müssen sie sein, spät erst
trumpfen sie auf und richtungslos
gegen die Falschen. Die richtigen Gegner
haben nicht lange gewartet, ungreifbar sind sie und werfen
aus dem Spiel, wen sie können. Das endet nie
oder spät im Gesabber. Die Medizin ist das Schicksal. Krank macht
bereits der Gedanke. Der Hohn
holt sich, was recht ist, schon Spötter
haben das Nachsehen. Dafür
finden sie manches. Liegen bleibt immer.

Niemand ... hat das Sagen. Es findet sich hier und da
an tragischen Wassern, mit denen gewaschen
Thorax auftaucht, unerwartet, ein Strich in der Landschaft.
Wie das? Ungewiss krallt sich der Haken
in taubes Gestein. Weiter geht es und Klagen
verweht der Wind leicht. Hirngespinste umkreisen
den Ort, den keiner betritt,
der sich nicht austrägt. So oder so. So oder anders. So oder
anders herum. Im Steigen tränen die Augen, das pflückt
abwärts sich leichter, ganze Büschel davon
reißt, wer abgeht, mit sich in die Tiefe.

Niemand hat das Sagen. Wer
danach fasst, glaubt, er sei
ein Bluter vielleicht. Täuschung
auch das. Wo immer er hingreift, er greift
in Messer. Es ist ... nicht zu fassen. Der Blender
ist auf und davon, du kannst ihn nicht hören,
nur die Unruhe zieht
hinter ihm drein. Hier. Hier und da. Da oder dort.
Wohin du dich schlägst, es ist
das Gleiche. Was ist
das Gleiche? Es ist
niemandes Schuld. So steht es und so
bleibt es sich gleich. Nur Ich, leidiger Wechsel
auf ein erbittertes Morgen, entschlägt sich. Ein Wunder:
›Wo Ich ist, soll nichts werden.‹ Das lässt sich einrichten, das
gelingt auch dem Dümmsten auf Anhieb, damit
rechnet sichs leicht. Das Talent, das aufglänzt, wohin
ist es gegangen? In den Schatten. Ein Auge kennt
mehr davon, als du denkst. Bevor du aufbrichst:
Denk an die Bilder. Im blinden Fleck
sind sie schon immer vergangen, kein Fernruf
bringt sie zurück. Also beklage dich nicht. Geblendet
stehst du im Raum. Das zuzugeben fällt schwer. Niemand
erwartet dich da; herbes Los. Du kannst ihm entgehen,
wie so vielem, das sich im Ausgang verwirrt,
wie immer, durch frühen Entzug, doch das
liegt nicht in deiner, es liegt obenauf
in einer Hand, die sich ballt
vor jeder Entschließung. So oder so.

Im Dämmerbezirk des Gedenkens
lagern die Täuschungen pur.
Auch Härte blendet: den, der sie übt, wie den,
der sie erfährt. Mancher sieht sich als Hoffnung
und es verschlägt ihm die Sprache. Spät erst weiß sie die Worte
für eine Welt, die entglitt,
ohne zu werden. Damit lässt sich leben. Ganz gut,
tönt der Spanner, nichts finden die Freunde
dabei, so weiß man wenig am Ende,
fast nichts, über den Verlust,
der den Unterschied macht. Gerade ihn,
nicht irgendeinen, bewahre,
nicht irgendeinen, nur diesen einzigen,
der den Auftritt lohnt, der ganze erbitterte Einsatz
liefe ins Leere, wie es auch wirklich geschieht.

Unverhofft kam das alles. Die Blendung
sieht keiner voraus. Auch dass die Rede
schon auf und davon ist, bevor
einer sich ihrer bedient, das ist
schwer zu durchschauen und kaum
hält es sich aus. Davon, vom Aushalten,
geht, wenn sie geht, die Rede, nach den Entmündigungen.
›Ergebnisse sehen.‹ Dann aber scharf,
von allen Beteiligten, plötzlich. Keine Chance,
unblessiert zu entkommen. Beteiligt sie alle,
Spieler, Mit-, Mietspieler, denen die Schminke
abgeht, fast nach Geschmack ... er, gerade er weiß
ein Lied davon –

Keine Macht haben ist bitter. Bitterer ist es,
Macht zu haben, aber nicht wirklich,
Macht zu haben, wenn die Sendboten schon unterwegs sind,
Macht zu haben, wenn die Luft, die man atmet,
durch ihre Lungen ging und die eigenen Leute
in den Vorzimmern jener größeren Macht
ein und aus gehen. Da fällt leicht ein
Apfel vom Stamm und ein Wurm
trollt sich ins Freie. Im Unwegsamen
kann einer dauern, dort, wo die Meute
in ihren Jeeps sich zerstreut und der kalte Berg
verhindert, was not tut. Die Not tut, was sie muss, darüber,
jenseits der Death Zone kletternd
gibt man sich wortkarg. Der Dichter Han Shan
dichtet das Seine. Auch das ist herb, das Ziel
treibt Blüten im Schnee, weiße Video Tapes.

Souverän ist, wer über Leben und Tod

auf dem Erdball verfügt. Das sagt sich
fast im Vorbeigehn dahin. ›Sanktionsfrei‹
lautet das Zauberwort, mancher
überhob sich daran. Das Universum, es schmerzt
an dieser Stelle, der verzuglose Treffer
findet den Grund präpariert. Zur Sache geht es
wie immer blutig. Der nichts zu verbergen hat,
ist der Dumme, ihn trifft die Vergeltung
aus halkyonischem Himmel. Wer plant,
denkt planetarisch. Der Rest ist Gezänk.

»Das denke ich auch. Global Player ist jeder.
Ich jedenfalls plane meine Urlaube früh.«
Enjoy!

Stärker ist niemand. Einer könnte, geblendet,
zu hassen beginnen, doch hätte
keiner etwas davon, so erübrigt es sich.
Restlos. Niemand hat das Sagen. Darüber
wissen wir mehr als genug, will sagen, man hat
es oft beschrieben. Der Gegenspieler, er bleibt
im Bild. Charakterfest sind sie alle, an der Stelle
erhebt sich kein neues Problem. Eher ein altes.

Also, aufs Neue gefragt: niemand, wer ist das?
Putzig sieht sie aus, eher unernst, die Frage.
Nur wer Bescheid weiß, weiß sie zu schätzen.
So und nicht anders will es der Weg. Vielgestaltig erscheint
dem Geblendeten, was er nicht sieht.
Polymorph. Auch in der Größe
verschätzt er sich oft, mitunter geht
sie ihm auf wie ein Fenster, maßlos. Denn:

Er selbst ist der Rahmen. Keiner weiß das so gut
wie die eine, der er durch Zufall begegnet
oder ... im Freien. Blickloser Anblick.
Kein Tempel. Müßig, sich dran zu erfreuen. Sicher
ist keiner. Sicher
waren sich diese. Absolut sicher. Mit ihnen
begann das Neue. Niemand sah das anders,
doch wer, bitte, ist niemand? Ein Zwerg.

Auf den Schultern der Riesen, lässig
steht es sich da. Gering wiegt das Fernglas
in der bedeutenden Hand, die gelehrig
sich schließt um den Kern aus Metall, denn Härte
kommt vor dem Gefühl, sie geht
ihm weit voraus und bringt es, wenn’s muss,
kurzerhand zum Verstummen. Im Fall der Fälle
verstummt es sich leicht, zum Bereden
bleibt Zeit, ein Leben lang. Welches Leben, das ist
nicht so wichtig nachher, denn
die Tür steht offen, steht offen, und
wer hindurchschlüpft, verdient sich
eine Nase. Eine goldene hin und wieder
wie Onkel Midas. Je nach den Umständen geht
auch die blutige an, denn: gestillt sein
wollen sie alle. Denn denn denn. Ein Wortspiel beherrscht
die Beherrschten, die Selbst-.

Schachbrett für Tüftler. Im Vorgriff
fallen die Züge leichter, das Matt
bleibt, wo es bleibt, im Futur. Nur gewesen sein
darf es nicht, das schadet dem Herzen und bringt
keine Rendite. Gewesen jedoch
ist es vor jedem Zug, und nichts
bringt es hervor, das nicht löste,
was es verspricht. Nicht die Spur
des Menschen im Sand, der Sand selbst, er schichtet sich um, er
ist ein Gewesener. Auch im Verschwinden liegt Härte.

›Umbau‹, das geht
leicht vonstatten, wenn
der Geist verflog, aber restlos
tilgt er sich nie. Das Ressentiment
ist eine Weltmacht. Die Macht, vielleicht.
Dunkel lebt sie im Wortspiel, doch so, genau so
bleibt sie im Kern. Macht ist Macht. Wer sie kennt, dem klärt
sich alles im Dunkeln. Der Mittag
findet ihn reglos. Kunstvoll
schreiten die Freien, im Hüpfgang
treten sie zwischen die Glieder der Schläfer. Furcht
streut ihr Erwachen zur Unzeit.  
Niemand ist schwächer. Das heißt – etwa, nur so –
dem Erbrechen nahe angesichts der Unwägbarkeiten,
die keinen auslassen. Warum sollten sie? Nicht gelebt zu haben
ist auch ein Freibrief, ausgestellt
auf kommende Katastrophen. Dagegen heißt es sich wappnen.

Sicherheit. Sécurité. Sicurezza. Les-, Lees-, Leeesarten desselben,
was denn sonst? Dasselbe ist nicht dasselbe,
das wissen alle, nur erfährt
derselbe es anders. Daran kommt keiner vorbei
auf dem Pfeilflug ins Aus. Wer plant, so einer
entscheidet sich früh oder er folgt
unschlüssig dem, der entscheidet, obzwar
entschieden zu folgen, oder er sammelt Verbündete. Die sind
leicht zu haben oder sie bleiben
still in Reserve. Dort sind sie
jedermann sichtbar. Allein der Suchende hat ein Problem,
das muss er lösen. Niemand löst es so leicht
wie der Nächstbeste. Das heißt...
der Absturz geht leicht vonstatten. Im Schwindel, huhuh,
schließt sich der Kreis.

Herz, sei gerecht, nicht
gelebt zu haben ist das Problem, sowenig wie leben.
Blicklos geht, was geht. Darin liegt
das Furchtbare blank. Das mag
einer empfinden oder ein anderer geht
locker darüber hinweg. Überhaupt ist das Leichte,
zwanghaft geübt, kein Gewinn. Wer es so ansieht, der
ersetzt leicht den Zensor, ein Lückenfüller, dem Schauen
entwöhnt durch Gewöhnung, denn was
bliebe zu sagen ohne Gestammel in Breiten,
in denen ein Frost häufig die Blüten erwürgt,
nur so, im Vorbeigehn. ›O schmale Breite!‹ –
Ein Wort, ungekonnt, legt die Absencen bloß.
Geborgte Macht! Wie sonst, wie
denn sonst? So geht, was vorgeht,
dir lange nach. Lächerlich ist das nicht.

Was die Spatzen pfeifen, belastet die Dächer
wenig, es füllt nur die Luft, und mancher,
der sich die Ohren zuhält, greift heimlich
zum Hörer, um mitzuzetern, denn Geld
erregt anders als Kinderarbeit oder der Strich
zwischen Arm und Reich die durchgestrichene Welt.
Wo das Geld pur sich vermehrt, in seiner
naturgegebenen Reinheit, dort fühlt es sich... fühlt es sich...
purer. Nur diese Schwäche, diese seltsame Schwäche. Guuut. Gut
macht es sich da, wenn man vertraut, bloß
weil die Lachfalten stimmen. »Der Bursche
hat recht.«
»Hat er?«
»Ich denke, wir sollten ihm
eine Zeitlang vertrauen. Alles andere wäre ja –«
»– pathologisch, wollten Sie sagen?«
»Genau.«

Die Welt im Kasten, über die Maßen begehrt: gern
sieht es der Dichter und weiter nicht
als einen Steinwurf entfernt begeht
ein Minister die Planken, als führ’ er zur See.
Ganz so ist es nicht, eher führt die See
ihn, statt eines Logbuchs. Stramm blicken
die Jungs unter flappenden Blättern, die kein
Wort übersteht: Luft zu Käse. Kriegerisch, ja.

Weiter im Text, auch wenn die
Koseform bricht: da wird es wichtig, zum Beispiel, wer wem
damals, als diese Welt
noch im Entstehen, die
Decke wegzog, denn ohne Not
kehrt keiner sich um. Notzucht also, das Trauma, das
niemanden auslässt, dem’s widerfuhr. Wenn Luft
zu Stein wird, entsteht
der neue Mensch, gelehrig
wie eh und je, auch gefügig. Der Gang durch die
Brandstätten dämpft, und abgeschottet
wächst, ohne Vorlauf, das Wirkliche.
Bombt weiter! Wir werden
uns nicht beteiligen, aber wir sind
an eurer Seite. Denn besser als Zielsein
ist alles.
Schweigsame Stimme. Ihr Ton
dringt hell und klar durch den Orkan der Gefühle.

Noch sind die Mütter nicht unter der Erde und ihre gestörten
Töchter, die Enkel, sie rücken zusammen, den Kassen
fehlt es an Nachwuchs. Allein
die Lebenden merken nichts, denn
sie leben. Das ist gut so, da doch die Härte
sie sinnlos erwischt. Das Taedium Vitae
verdämmert sich leicht, schließlich
fehlts am Latein. Mit beiden Händen
eingegraben ins Leben schmecken sie Blut.

»Es gibt eine Alternative.« Das sagt sich leicht und es ist
die Wahrheit. Immer die Wahrheit. ›Wir können auch anders‹,
heißt es und niemand zweifelt daran. Dieser aber, niemandes Zweifel,
beherrscht das Feld.

Besser als Zielsein ist alles. Auch daran zweifelt
niemand mit großem Erfolg. Denn
Gemeintsein ist alles. Das
gibt Freiheit, aber
auf Zeit. Am Ende
gilt sie wenig und dem,
der sie beansprucht, gerinnt sie zum Aufschub. Den Weg
kannten andere längst. Wer nicht fromm ist, folgt
den Frömmsten gern, aber aus sicherer Entfernung. Nur der Gläubige kennt
den Unglauben: in ihm quäkt er
sich seinen Göttern zu. Der Weg Europas. Was sich dort sammelt, es folgt
den Spuren der Ochsenkarren im Schlamm,
die niemand sieht. Niemand, zum Unglauben neigend, denn
sein Gehör ist schwach. Nur feinere Töne
dringen durch, das Getöse
kommt aus ihm selbst.

Wenn die Sehnsucht der Menschen
nach Gleichheit ein leises Bedauern
wird oder ein Achselzucken, das schwer
widerlegbar, wenn Differenz
niemanden anficht, sondern das ist, was bleibt, wenn
schwindet, was niemals wurde, nachdem in den Köpfen
es anschwoll, als würden sie platzen, wenn
es nicht am Ende herauskäm, als Summe alles Gelebten:
wenn also, wenn ... wem sage ich das? Niemand hört zu, gelehrig nimmt
er auf, was keiner versteht, obwohl jeder
weiß, was gemeint ist, denn
daran herrscht kein Mangel, nur wer langsam ist im Verstehen,
der lebt gefährlich. Der Durchblick kommt ihm abhanden,
eh’ er ihn fand. Komisches Los. Die Lotterie
schweigt. Sie kommt als Augenpulver, der Angriff
amidst nothing and nothing findet ein Ziel, das nicht wusste,
dass es eins war. Also erfolgreich. Also ohne Erfolg, denn
woran soll man ihn messen? Auch ist die Weigerung stark,
ihn zu erkennen. Die Läsion ›fand statt‹. Das versteht jeder.
Dem Lädierten steht die Welt offen. Täglich
schrammt er die Tür. Gedränge herrscht schon.
Das ändert sich nicht, nur weil
niemand sich zeigt, eher
füllt es sich auf. Die Rücken der Schafe
fühlen sich gleich an, doch unter der Wolle
rührt es sich ungleich. Wer durchkommt, zahlt den Preis
aller Verkrampfung im Sturm, der nicht ausbleibt.

In den Ländern des Hochmuts sammelt
der kleine sich, der den Alltag
kaum zu bestehen weiß, weil er ihn
meint oder nicht meint, beides vielleicht, entscheiden
lässt sich da nichts. Mit der Entscheidung
entwächst ihm die Brut, sie wird
fruchtbar vielleicht, doch das
darf ihn nicht kümmern, denn treffen
wird es ihn anders, ins Herz.
MUT, kleingeschrieben, verbiegt
die Metapher zur Welt. Welcher?
Der Welt im Kopf? Den Kopf
möchte man kennen, und kennte ihn einer
von Kindesbeinen, er möchte ihn missen. Darauf
hofft er vergebens, solange der Tag graut, das
wandert mit. Schlafen, vielleicht, nicht zu lange, und: tot
ist so einer nicht. Tot nicht. Eher geschäftig.

Als die Kaulquappen endlich siegen lernten,
wurde der Raum knapp
unter der Oberfläche des großen
Wassers. Es erwies sich, dass es nicht gut war,
viele zu sein, die sich drängten und stießen, um
erste zu sein unter all den Gleichen. Auch zeigte es sich,
dass es nicht möglich ... nein ... wirklich so war. Denn jene ersten
bewegten sich nicht unter ihresgleichen, sie lehnten es ab.
Ihr Bewusstsein, mehr zu sein, schlug
die glänzende Fläche entzwei. Entsetzt sah man im Strudel
den tödlichen Kampf, das Gemetzel,
dem nur entrann, wen das Glück der Verwandlung
derb überkam, mitten hinein ins Gehoffe, so dass
mit ihm, verzuglos, selbst die Erinnerung schwand.
Sei kein Frosch! Das ist leicht gesagt, unter Märchen-
Kriegern erhält sich die Rede. Manch einem bricht
sie das Genick. Drum meide, wer kann, die Kinder.
Ihr Geplapper ist tödlich. Wer ihnen zuhört, dem
geschieht es leicht, dass er vergißt und niemand
war da, der ihn warnte, denn
unschuldig ist das Gemäuer
und allen dienstbar, im Grundsatz.

Niemand reist in Europa. Man fährt oder fliegt

hier- oder dahin. Pisa oder Den Haag. Auch Tallin.
Griechenland, ah: Dorthin reist man noch immer. Auch das ist EU.
Balkan, bloß eher. Näher liegt die Türkei,
auf dem Sprung wie gehabt. Daran
verdienen viele. Am anderen Ende Den Haag
ist eine vornehme Stadt. Man sitzt hier gern zu Gericht.
Träume werden darüber leicht schwindlig, sie nehmen
ein Grün an, in das besser
keiner hineinschaut, ein Tümpelgrün, drin
Risalite sich spiegeln statt Realitäten.
Das wird besser im Mauritshuis:
Wer dort hängt, führt seine Kriege
gegen das Licht. Bei den lebenden Toten
geht das Herz auf und zu. Ein leises Gefühl der Beklemmung
will nicht weichen. Es will nicht. Eher drängt es hinaus. Das
geht nicht. Ein System, leicht beherrschbar am Anfang.
Später, mit der Gewöhnung, wächst das Bedenken.

Vic. Im Teatro Olimpico brennen die Lichter
heller denn je. La città é il teatro. Das ist in dem Fall
nicht anders als sonst. Allein auf den Brettern
spitzt es sich zu. Kein Portikus
kennt den anderen. Wer steht, steht
als Solitär. Nur im Effekt
gruppiert es sich. Da kommt zusammen,
was nicht zusammen gehört. Im Auge des Publikums
trifft es sich zwanglos. Auch das Publikum
trifft sich, die Schaulust
kommt und geht mit den andern, ohne Biglietti
ist nichts zu machen. Zwanzig Euro das Stück,
das macht schon etwas, das macht
einen Umsatz. Auch die Eisverkäuferin macht
einen Umsatz, niemand trägt es ihr nach.
Warum auch? Dafür ist man gerüstet.
Ausgebildet sogar, gut ausgebildet, absolut
sicher. Absolut sicher. Niemand sieht
das anders, doch wer ist niemand? Ein Non.

Ein Einzelner, der dem Tod folgt,
findet ihn gleich um die Ecke. Er drängt
sich nicht auf, du findest ihn handzahm. Es liegt wohl
 an der Beleuchtung. Wenn auf dem Pflaster
die Schritte verhallt sind, die Rufe
sich an das Dunkel gewöhnten,
wenn das Gelächter erstirbt
und die letzten Fetzen Musik
zerschmolzen sind, wenn die Fassaden die Nacht
festlich machen, die keinem gehört, sobald
all dies eintritt, dann redet die Schrift,
leise brabbelnd, Hindi, Arabisch, Hebräisch,
dass dem, der zuhört...
Was?
Nichts in Gedanken. Sie
ist der Tod. Von ihm spricht sie, von nichts
sonst. Nur die Weise ist nicht bestimmt.

»Ich bin oder ich bin nicht. Wie sollten
wir beide uns treffen?« Ein wahrer Satz
im Mund eines Toten. Unwahr auch, denn die Schrift
ist auch ein Leben. Siehe, die Mutter
aller Technik gibt dir Geleit, schärfere
Wirklichkeit findest du nicht. Andere lieben
den dreifachen Schall und die Kurve ins Weltall –
lass sie hinter dir, lass sie reden. »Nein, ich habe den Mond
nicht betreten, das bleibt natürlich der Traum.
Neil Armstrong. Alan Shepart. John Young. Sie
sind die Helden. Eine Klasse für sich.«

Eine Klasse für sich. Rapid. Das Gespräch
mit dem Raumfahrer lässt sich gut an. Er ist
Prodekan jetzt, ein Aushängeschild. Hinauf
zieht’s ihn noch immer. Der ICE rauscht
durch die Nacht. Künstlich. Ein Tunnel vielleicht.
Im National Space Museum döst eine alte V2.
Manchmal, über die Brüstung, äugt
ein junger Mann zu ihr hinüber,
ertastet den pockennarbigen Rumpf. Meist
hat sie frei. Für derlei Aufgaben wählt man
die Phantasielosen.
»Die Erde verlassen, wie
macht sich das?«
»Im Grunde merkt
man nichts davon. Man ist auch
viel zu beschäftigt« – er lacht – »und das ist gut so.«
»Und später?«
»Die Zeit da draußen
ist knapp berechnet. Zu teuer
für das Empfinden. Sie wollen erleben?
Ich rate Ihnen: Fahren Sie Bahn!«

Lass, lass sie reden. Manchem erscheint
das nicht ausreichend. Wer sein Quantum Wissen
aus dem Teilchenbeschleuniger löffelt, der fand
früh das Ei des Kolumbus. Krawatte, dotterfarben. Erwachsen
wird man so nicht, aber man kommt
in die Jahre. Oder es kommen die Jahre
und ziehen davon, resigniert. Alterslos leben
Heisenbergs Jünger, die Götter des Wirklichen.

Jenseits von Hören und Sehen beginnt die Schrift. Ihre Tiraden
ziehen dich weiter. Dunkel ist nicht der Sinn. Dunkel
ist der Weg. Auch das trifft, leider, nicht zu. Dunkel ist
der Gang. Wer sich bewegt, weiß das zu schätzen. Unruhevoll
entspringt ein Gemüt. Wohin? Dieser Rembrandt zum Beispiel
entspränge im Nu. Geist nützt nichts. Allein der blindeste Drang,
gepaart mit Schläue, erreicht den Ausgang.
Aufpasser gibt es genug. Manche erkennt man,
andere nicht, das hebt sich auf. Das Spiel ist offen:
mit der Zeit
wechselt der Abstand. Wer Zeit hat, hat Zeit. Sagen wir: einmal.

Das ist herb, aber es trifft. Die Sache, geschlagen weicht sie zurück:
ein zweites Leben, mitgeführt für die Verzweigungen,
das wär’s. Deutlicher wäre,
wie man es macht, ›falsch‹ nicht länger
das richtige Wort. Klar triebe das Leben, entschlossen,
eins links, eins rechts, eins links ... Schmerzlos verkümmerte dann,
was keine Kraft hat, an sich. Einfach
an sich. Das wäre Leben. Dieses hier
reicht für die Mühle. Oder die Klapse. Dazwischen
pendeln die Offenen. Auch das Ende bleibt offen,
man sieht’s an den Augen. Einer muss kommen,
der sie schließt. Das geht leicht und ist menschlich.
Mehr Schwierigkeiten bereitet der Mund, doch selbst
ein gebrochener Kiefer schadet nicht viel. Diesen Vorteil
genießt, wer tot ist, kalt. Zwar das Selbst
bleibt auf der Strecke, aber sowas passiert
den anderen auch. Manchem genügt dafür
sein Geschlecht. Bitteres Erbe. Wer falsch hineinkommt, findet
spät heraus oder nie. Leben fürs Zubrot. Juristen wissen
am meisten davon. Verbiegt euch! Evas Töchter
sind hier im Vorteil, sie glänzen, nur Söhne
sollten nicht sein.

Sollten nicht sein. Sind aber und da
gibt’s kein Pardon. Zurückgewichen
wird nicht. Wer das täte, der hätte
sein Leben im voraus blessiert, das ist so
unzumutbar. Unzumutbar der Frau, umso
weniger darf es der Sohn. Die offene Tür
führt in den Abstand. Der ist gut, der ist
immer empfehlbar. So anderes auch. Zeit,
sich zu empfehlen. Wer kann, der hat. Schuhwechsel.
Jenes Stück Holz zum Beispiel
zeigt kein Gefühl. Sehr zu empfehlen.

Auch dieses Wort
sieht dich streng an, es wechselt die Seite,
bevor es dir schmeckt, über den Tellerrand äugt es:
»Rühr mich nicht an. Auf mich sind Schärfere scharf.
Du sollst dich nicht messen.« Das ist wahr, es ist  
die Seele des Spiels sogar. Nur das Spiel ist verlogen, umsonst
kostet es viel. Ungnädig geht es dahin, sein Name:
Intimität. Wer es verstanden hat, weiß. Furcht
gibt die Regel. Fürchterlich
ist das Ergebnis. Unter dem Strich bleibt,
was der andere eintreibt. Dafür bückt er sich tief. Oder er treibt,
was er treibt, im Verborgenen. Die Dinge stellen,
ausweglos. Sand, Nichtsand. Kornlos. Erst unterm Mikroskop
zeigt sich Struktur. Auch da
bleibt vieles unklar. Heftig
tritt es hervor oder spät. Ein Auge zuviel
wiegt die Regel nicht auf, der es weicht.

Klagen –
was bringt’s? Es behindert den Nachbarn, der grad’
auch dazu ansetzt. Ihm drückt der Spaten
unter das Kinn ... er gärtnert ein wenig. Beruflich lebt er in Taiwan,
ein bisserl busy, wann’s geht; nonchalant.
Zwischen zwei Flügen beschwer’n
tut man sich schon, wer weiß, was sonst
alles davonflög von der geplünderten Erd.
Fern steht die Stadt auf dem Hügel,
der erst ein Turm davonflog, nachher der zweite.
Nahfern vielleicht, eine Träne. Gefangen
im blutenden Aug. Auch die Kinder beklagen
sich über die Welt. Sie mögen Amerika nicht.
Seltsam berührt dieses glühende Pendel,
das sie ergreift und umkehrt im Nu.
Im Lande Kauderwelsch sind die Nuancen
mit Händen zu greifen. Grob ist das Mindeste,
ein blasses Korn,
das aufgeht wie nichts. Schreit euch hinaus, auf der anderen Seite des Wassers
haben sie andere Sorgen.

Komm, setz dich ins Dunkel, Kind, mein blindes Auge
hat Platz für uns beide, wir reden im Schatten.
Kein Papagei nistet da, doch Vögel
fliegen davon, unscheinbare, ein Archaeopteryx leider
ist nicht darunter. Fortschritte meldet
das Unscheinbare zumeist, in der Summe
liegt der Gewinn. Herrschaft, mein Kind,
ist eine Summe. Wer sie einstreicht,
hat den Gewinn. Woraus? Der so fragt,
hat schon verloren oder ist fällig, kommen die Karten
neu auf den Tisch. Das Spiel ist einfach, es lautet:
Möglich ist alles. Wer die Regel beherrscht, ist nicht zu schlagen.
Er ist der Geschlagene. Vor ihm
weicht jeder zurück. Das gibt
ein Gefühl der Macht. Ein solcher kann einstecken.
»Das wohl. Aber es ist nicht dasselbe.«
»Nicht dasselbe? Wie das?«
»Es gibt keine Regel.«
»Das mag sein sein, aber es ist
schwer zu ertragen. Das ist die Regel.«

Auch Töchter
sollten nicht sein. Leise, mein Kind, leise, dass
niemand mich hört. Vor allem nicht du, mein Kind, meines
wirst du nicht sein. Das ist gut, gut, andererseits
gegen die Regel. Die es nicht gibt, wie du sagst, und die Mütter
pflichten dir bei. Vielleicht wäre es besser,
es gäbe sie nicht. Manches Unglück
erübrigte sich, anderes käme
rasch und wie
über Nacht. Stattdessen kommt es
als Nacht, dagegen
lässt sich nichts machen. Nachher
sind alle klüger. Nun, alle...

Auch diese Klugheit
kann sich nicht messen. Singen im Dunkeln. Das All zwar
hört mit und die Grillen vibrieren, wie nicht,
gesetzt, es ist Sommer, doch das
kommt seltener vor. Kein Laut
fällt in ein offenes Gehör. Dafür sind
sie zu offen, die weiten Gehöre
fassen vieles, nur das Unfassbare
fassen sie nicht. Fassen sie nicht.
Niemand reist in Europa. Das Pendel schwingt. Wer nicht reist,
kommt nicht an. Er kommt auch nicht
in die Fremde. Das Pendel schwingt. Niemand also,
niemand kommt an und ist
in der Fremde. Schiffbrüchig, ja,
brüchig. Kommt und sieht, wo er bleibt.
Was nicht so einfach ist, denn...
niemand sieht ihn. Kein zweiter, bewahre, nur
niemand. Da macht der Geblendete Sinn: er
ist der zweite. Kein Bewahrer, das nicht, nur im Gesicht
nistet der Argwohn. Niemandes Ankunft,
lange vorausgesehen, macht ihm zu schaffen.

Und er bereitet sich vor. Doch hat er
hinter sich niemand, der Zug
Bleibt ihm verborgen. Dreh dich um! Der Geblendete
kennt die Parole. Vorwärts rennt er, ins Ungewisse,
das ihm ungewiss dünkt, aufgehoben
weiß er sich schon. Europa
ist eine Kuh. An den Zitzen
saugen die Wölfe. Sie proben Ro und Re, aber: daraus
wird nichts. Ein Schuss und sie huschen
eilends ins Weite. Auf glitzerndem Meer
fahren sie Schlittschuh. Kein Horizont
hält sie auf, hinein ins Gewoge
gleitet sichs leicht. Kein Eis unter den Kufen: sie selbst
strömen es aus. Sie nennen sich ›Spieler‹.

Tritt heraus aus dem Dunkel. Be a part.
Dort spielt die Musik. Join the party. Oder verpiss dich. Das hier
sind bloß Kulissen, in denen
ein Sommernachtstraum sich erfindet und barmt,
ob eine Kundschaft den Lufthauch bezahlt,
der ihn arglos durchzittert.

Das Theater ist klein, man kann es ertasten. Wie der Zufall so spielt,
drängen sich wenige. Genauer gesagt, nichts
drängt, außer der Zeit, denn die Vorstellung
hat schon begonnen. Ein Schauspieler, der die Bühne betritt,
ist gut zu hören. Jeder kennt das Geräusch.
Flüchtig verbeugt sich Sosias. Er kennt
niemanden hier. Niemand kennt ihn. Ein Lacher gluckst
in Erwartung. Auftritt der zweite. Er ist
der erste noch einmal. Man merkt es
am Gang. Sosias. Leiser zuerst, stockend wie jener, sich
festigend, kommend, auf-
kommend löscht er den anderen, löscht ihn.
Löscht ihn aus. Löscht ihn aus, löscht –

Enjoy!

Hier

an dieser Stelle
verwirft sich der Mund:

wer schweigt, redet zuviel, wer redet,
verschweigt das Meiste. Entlassen
kommt die Entlastung zu spät, wenn
sie kommt. Wenn sie kommt. Im ›Wer weiß‹
nistet das Schwarze, ein komischer Vogel,
gefiederlang ... Sagen wir: lebens-
lang,
-länglich ...
Dagegen sträubt sich
das Tier aus der Tiefe, Feind aller Ergebung.
Der Armenbibel entsprungen wie alles,
was weiter will. Bilder reden dich an:
Recht so, das hilft, das entlastet
ein Auge vielleicht. Blank folgt es dem Urteil.
Kein Blick trübt die Linse. Das geworfene Auge
ist das gefangene.

Entwirf dich! Nein, gib dich weg, vergiss
das Gewerfe. Es soll nicht sein. Jeder
ist jeder. Sowas vergisst sich sooo
leicht. So leicht, dass es dem graut,
den es antritt. Hass zum Beispiel
ist greifbar, ein solcher Affekt trägt
das Mal des Wirklichen. Dir folgt
das Vergessen. Es sei denn... Es sei.

Szenenwechsel. – Blaue und rote Schraffuren
ordnen das Blatt. Mit ihrer Hilfe gewiss
lässt es sich wenden. Nur wie?
Niemand weiß das genau. Ein Ein-Auge, mag sein,
dergleichen gibt’s viele. Solche und solche. Blicke, mon cœur!
In Blicken baden. Leichter geht es sich so
vorwärts ins Dunkel. Zwillingshass
trägt sich den Landkarten ein. Das
geht nicht von selbst, so einfach
macht es sich keiner. Strategen, ja,
die braucht es.
»Woher?«
»Aus dem Dunstkreis.«

Gesichtslose fahnden
nach einem Gesicht. Wanted. Das gilt
hier wie dort. Auch dieser Stock hat zwei Enden:
Das dicke kommt nach.
Macht aber nichts. Gleich sitzt ein Neuer am Drücker.
Er darf sich bewähren. Die Lotterie geht, sie
geht. Weiter.
Wer’s schafft, bekommt Ausgang.
Der aus dem Loch kriecht, hat nichts zu melden
außer Vollzug: Ein Feind der Menschheit. Er ist
ein bisschen der falsche vielleicht.

Warnend
kreisen Finger im Raum: Achtung! Wo sie sich senken,
da liegt das Ziel. Die Menschheit im Finger, da
lässt sie sich los. Wie Hunde
lässt sie sich los, Johnny
beherrscht den Raum. Oder
den Alb-Raum, wer
will das bündig bewerten.

Dort sitzen, wo die Entscheidungen fallen. Nicht ein –
Zweimal, dreimal. Und weiter. Im Cockpit. Letztes
Klopfen am Helm. Der Instructor hat
etwas vergessen.
»Zu spät.«
Im Abheben
verliert sich das Ziel, doch kehrt es
beizeiten wieder. Wer hoch fliegt, bietet
ein gutes. Schwieriger wird der Flug
in Baumwipfelhöhe, für beide Seiten. Vor allem die Bäume
haben zu fürchten. Doch über der Wüste
macht Fliegen Spaß. Und jenseits der Wasser
rast es sich selig. Ausklinken, was man hat, selbst/tätig
sucht es sein Ziel. Auch die Kanzel
ist Illusion. Ein Chip, sinnreich verdrahtet,
gaukelt Entscheidungen vor. Der Fingernagel, ein Kürzel
vieler Entscheidungen, die
andere trafen, er macht nichts her. Allein sein Fehlen
macht sich bemerkbar.
»Aber der Absturz
ist programmiert.«
»Scheißdreck.«

Köttelwisch, Dichter für eine Saison,
hat ein Auge zuviel vielleicht, nebenan
reift schon ein zweites. Er kann damit sehen,
weiter als andre ... zu sehen ... nun ja, vermögen, darum
ginge es schon. Was er vermag, davon liefert er
Proben zuhauf. Komisch ist das, denn nichts hält
den Vor-Schuss auf. Lorbeer. Doch darum geht’s nicht.
Worum es geht, er hat es verraten,
allen, mit Verve. Er war, sagt er, noch nie so dicht dran,
praktisch an allem. »Das ist mein Leben, das lass –«
... ich mir nicht rauben. Da muss ich schon so frei sein...
Lächerlich.
»Nee, nicht kaputt machen.«
»Prachtkopf.
Unbedingt dingbar.«
»Das macht,
was es macht, weil es macht.«
»Mr. President, I –«
»Einen Haufen.«
»Eins-fünfzig vermutlich, in Euro.«

»Macht es Sinn, auf jede Frage die passende Antwort...«
»Ja, es macht Sinn.«
»Macht es Sinn, die wohlgelittenen Wö...«
»Ja, es macht Sinn.«
»Macht es Sinn, sich in aller Ö...«
»Ja, es macht Sinn.«
»Entschuldigen Sie, aber wohe...«
»Ja, es macht Sinn.«
»Sprechautomat, eh?«
»Ja, es macht Sinn.«

Wer schweigt, redet zuviel. Wer redet,
verschweigt, was er mag. Ein Dilemma auch, obzwar
kein großes. Ein Bonsai. Ansprüche stellt
so ein Untier kaum. Eher stellt es sich taub. Unter Siegern:
er nimmt sich heraus. Die Taubheit aber, sie ist
nicht gestellt. Sie ist. Riesiger, selten bewunderter Teil
des Gezweigs. Abtropfen lassen. Am Reden
klebt noch, als Zwilling, das Schweigen. Beide beschlafen
dieselbe Luft, gemeinsam erheben
sie sich am Morgen, das erste Gähnen
verbindet unwiderruflich. Reden heißt
schweigen zu den Massakern, wissend,
dass es sie gibt. Reden heißt schweigen
zum Tod, der noch aussteht, schweigen
zu dem, was es auch gibt, schweigen
zur Lüge, die ansteht, wie stets. Sie ist, sobald es sich fügt,
das Wahre selbst. Aber gern. In die Verstellung
treibt, jäh, das Gedicht. Geht. Lautlos bleibt,
wer sich verschweigt. Jeder also, ein Tauber
redet ins Blaue, er setzt
Marken und stürzt sich ein Milan
darüber zu Tode, so greift das Verwundern.

Manchmal ergreift mich der Zorn. Das ist
ein starkes Gefühl. Die Rede geht schneller, stürzt, vielgliedrig, in
Kaskaden dahin, von Felsen zu Felsen, ein Schwan
bricht sich, verschlagen unter dem pochenden Herzen,
das holde Genick. Dann eisige Stille. Tropfen, stetes
Tropfen, es höhlt den Stein,
doch
wer den Stein sucht, der täuscht sich vielleicht, denn
versteinert sind nicht die Verhältnisse, sondern, um
im Bild zu bleiben, dem teuren: versteinert
sind die Gesinnungen. Kieselgleich wirft sie das Meer
der Wandlungen aus, im Rhythmus der Jahre
schrumpfen, nicht merklich dem Ein-Aug, sie ein. Langsam
summiert sichs. Welch herrlicher Sandstrand
in spe! Wer könnte so warten,
bis, geölt und gepierct, er den formbarsten aller Körper
dort hinein würfe! Ein wahrer
Erectus.
Wow!
... Seltsames Ei der Zukunft,
an Stränden, nur in Gedanken,
der Brandung entrückt, doch glitzernd
im milchigen Licht, flankiert von steigenden Titten,
die darauf harren, tätig zu werden, vorderhand
ruhen sie still. Kein Schmatzen
erschüttert die Bucht. Appetit kommt noch,
kommt. Pitsch-patsch, auf faltigen Sohlen,
kommt schon. Gender? Das kommt.

Nichts kommt. Die Stunde, die naht,
ist schon vergangen, sie steht
dem, der sie aufschreibt, im Nacken: Wer
sich sträubt, dem fällt sie
mitten ins Ohr. Gong, gong! O! Wem sie sich dehnt, der
hat nichts zu lachen. In geübten Gehören
macht sie sich schlank. Ein Wurm, eine Made vielleicht,
hält sich ans Lebende. Ungehalten
gibt sich das Leben ganz: ein Neutrum, das
Sex will, in beiderlei – wie? – Gestalt, das... das...
war das Wort. Schmuddel das zweite, denn
billig kommt es ihr vor und recht hat sie, bedenkt man, wie teuer
es sich bezahlt. Der Aufwand, einen Menschen zu zeugen,
übersteigt jedes Maß. Besser, man holt ihn
aus der Schatulle. Ein alter Gedanke, fiebrig
kleben Genetiker dran, denen die Zarte
das Abendbrot gendert.

Aufschub verlangt der Erfinder,
bleiben Sie dran. Sicher, wer weiß,
wird er es richten. Vis-à-vis das Patentamt schläft
den Schlaf der Vernunft. Aufschub also, wenn gleich die Unruhe
mächtig schüttelt, von Frühstück zu Frühstück, doch Brötchen,
die holt er gern. Auch das genetisch –? Wer weiß. Das zu erforschen
gibt's keine Mittel, bloß Bild
winkt mit dem Ruhm der Sekunde. Das reicht nicht.

Weise und vieles könnend: die Frau.
Hübsch sieht sie aus. Jede Mode
erbaut sie neu. Das ... hat seinen Preis. Wie
sie ihn entrichtet, dies lässt
tief blicken und gibt
Aussichten frei, nicht nur ins Gewesene. Eifrig
sprechen die Herren ihr zu, FJUTSCHA
heißt das Idol. Manche geht da zur Seite,
der das Basteln am Standbild zu lang...
dauert... auch dünkt... ihr oft, es bestünde
mehr aus Parfüm. In den Nebeln von Avilon
wallen viele, meist einzeln, doch hallt ihre Klage
im Brustton. Ein Weh, endlos, über die grausame Welt
der Patriarchen... kaum zu verstehen, höchstens
es drückt der Verlust.
»Der Väter?«
»Mag sein.«
... Tragbar erscheint
der handfeste Vorteil, der sich das Unglück
anderer anzieht. Handschuh, geschickt
zu dauernder Fehde. Ein Tölpel findet sich immer,
der das Ding aufhebt. Der da, er bückt sich, er merkt schon,
was er da tut. Aber er lächelt. Entrückt
sinnt er sich weiter. Das ländliche Leben
ordnet ihn rücklings. Es webt in Strukturen,
also in nichts. Einem Wink, einer Geste. Ausdruckslos wenden
Nachbarn den Blick. Der Zug um den Mund
ist ihnen vertraut.

Die Erziehung zum Hass, Kind, ist
eine ernste Sache. Kein Ungelernter
darf Hand an sie legen, es bringt
Unglück ins Haus. Nichts
gehen lassen, schon gar nicht
auf Zeit, denn
nichts ist ›auf Zeit‹: Regola una. Wer
sie beherrscht, der
beherrscht die anderen. Hass
streut weit, man muss ihn verwahren.
Erst im Gewahrsam erreicht er die bittere Reife,
die es erlaubt, ihn dort einzusenken,
wo es sich lohnt. Das geschieht rascher,
als einer denkt, es ist schon geschehen,
eh es begann. Der ewige Sparzwang
zieht seine Spur, befremdlich
mutet sie an. Erst der versagte Hass
ist der gewährte.

Vergiss das Futur. Das ist einfach gesagt, aber

auch leicht vergessen. So long. Nichts entfällt leichter als
gerade das. Mag sein, es kommt
nicht darauf an. Mit dem Morgen
verdrückt sich das Heute. Auf und davon. Mag sein,
beide brauchen einander. Mag sein. Doch diese Zukunft
geht uns nichts an, sie zerreißt
im ewigen Gestern. Wer im Tunnel verbrennt,
stirbt ›sinnlos‹.

Mag sein. Am Leben – seins, deins –
ändert es nichts. Der bleiche Schlauch, der das Leben bedeutet,
ändert nichts. Wertvoll
ist nicht das Dasein. Der Sprung in die Zeit
geht immer zu kurz. Lektion, nicht nur für Broker.
Auch der einfache Anleger kann profitieren,
gesetzt, er will. Nur... wer sich anlegt, ist
ohnehin nicht erreichbar, vergiss
den Vertrag. Vergiss ihn rasch, kurz
angebunden träumt es sich fort. Auch ein Wille
ändert nichts, er ist
unreif vielleicht. Vielleicht auch nicht. Vielleicht
hatte er seine Zeit. Was umtreibt, ist
etwas anderes. Das gilt für vieles, ein Deo
ist kein Ersatz. Eher die Sache. Das spricht für sich,
aussprechen lässt es sich nicht. Aussprechen
lässt es sich nicht. Aktive Weigerung? Kaum. Aber der Unwille
frisst sich durch, er lauert
auf jedes Wort. Fällt es, so fällt
es durch, ist schon entfallen, der Rost
deckt Landschaften auch. Zerbricht die Stadt,
kommen sie frei. Die Angst kennt jeder. Angst? Gewendete Lust.
Lust, die nicht mehr will.
Die sich nicht mehr will.
Mag kommen, was will, wir
ebnen den Weg. Das Rasseln der Panzer
klingt eher gedämpft, denn
es ist Morgen. Zersiedelter Tag, gut. Gut
für ein geräumtes Gehör.

Du hast gesehen, was es zu sehen gab.
Woher die Neugier? Wie das Geld arbeitet, gibt
immer zu denken. Hand aufs Herz: Sehen, was man nicht sieht,
zermürbt auf Dauer. ›Aufs Auge gedrückt‹: die Sprache
wusste es längst. Jetzt, da es geschieht – alles geschieht jetzt,
im langen Jetzt, das die Historiker blendet
und die Revolte beschämt –, trägt sie
das Mal des Alterns. Das ist schade, doch so
bleibt ihr das Meiste. Zaghaft gehen
die Neuerer zu Werk. Wirklich
zerfällt, was sie treiben,
und breitet sich aus. Horizontal. Die Transformation
spukt in den Köpfen. Sie treibt
dicke Wälzer hervor, eine lange Dauer
sucht ihresgleichen. Sucht. Was einmal erregte, das zappelt
als Hering im Netz der Bezüge. Das ist
gemeint wie gesagt, denn: ohne Bezüge
denkt es sich schlecht. Wer es versucht, dem fehlt
der lange Atem, er hechelt vielleicht, hätte zu Lebzeiten gern,
was nicht erreichbar. Irgendwann reichts ihm.

Wie es so läuft. Angestrengt gibt sich
das Heute. Die Kappe verkehrt
über der Stirn, zeugt es von Dauer. Nicht vorwärts, nein,
rückwärts rödelt die Rede, verdrückt sich in Lehmgruben oder
Höhlen des Jura: KALTSCHA IS IMMA. Das meint: verdammt früh,
das kleine Gehirn hat nichts zu bedeuten. Fast nichts. Nur das Geschlecht
hat schon Struktur. Neben dem Faustkeil
liegt griffbereit der Recorder.

Euphor... – nein, nicht wieder, nicht
schon wieder! –
Euphorbia gorgon... So nicht! Rein
äußerlich gleichen sich alle Medusen. Innen
bleckt manches anders. Wie eine erstarrt, darüber
fordern sie Auskunft und eine
triffts nicht allein. Der Aufbruch
trifft viele ins Herz. Herz der Stille. Drüber weg sein:
die Gunst der Stunde. Doch wer, Hand aufs Herz, wäre
schon drüber weg? Die Wunde blutet nicht, schmerzt. Das ist, sie blutet
im Verborgenen. Innen sind alle Bluter. Das schreibt sich
so leicht und ist
ein Missbrauch der Sprache vielleicht. Vielleicht auch nicht. Menschheit
hat kein Antlitz, man muss ihr eins borgen. Warum nicht auch
den Körper dazu, ausgerüstet
mit allen Organen?

»Ich kann es dir sagen.«
»Ja?«
»Es hat keinen Zweck.«

Es hat keinen Zweck. Zu viele
bevölkern den Globus, ein jeder von ihnen
hat seinen Kopf, nur einen zwar, schau:
Sowas summiert sich. Der Berge versetzende Wahn
endet am Wasser, das still,
ungetrübt, fließt, wo es will. Was es will, bleibt
unklar, erklärt sich in Spiegelungen,
dem groß geschriebenen Du – Wurf,
der nur knapp den Empfänger verfehlt, das vor-
enthaltene Ich. Egomanie treibt, bleibt aber
blind. Das krasse Ich
ist das entleerte. »Scheiß drauf.« Motorisch
fühlt es sich stark. Das Flüssige selbst
setzt eine Grenze. Was, wenn nicht Gestern, wäre
das Häutige, dem eine fehlt, die ihm zuwächst
aus dem Verlust: Zukunft.
Heute: ein Bärendienst, ungebeten
drängt er sich auf und vorbei,
im Abgelegten klimpern die Silben –
Wasch mir den Pelz –

Wer die Menschen kennt, ist ein Dummkopf.
Er redet nicht mit, denn er weiß nicht,
worüber er redet. »It’s the economy, stupid!«
Wer das nicht weiß, worüber
soll einer reden mit dem? Das bringt nichts.

Niemand ist zur Stelle, sie zu besetzen, so bleibt sie
unausgefüllt wie die Kluge, die’s umtreibt, solang die vergoldeten
Stühle verfügbar. Gut sitzt es sich da. Zwar nicht für lange,
nur da es allen so geht, geht es
in Ordnung. Der Macher dort
hat es nicht nötig, so einer
gibt Auftrieb. Oder sein Anblick
deprimiert tief, das muss man verkraften.

Die Gunst der Stunde! Sie schlägt,
schlägt unaufhörlich. Diese Wand,
hält sie?  Müßige Frage. Auf einem Kerbholz
trägst du davon, was sie meint. In Devisen
ist mancher stark, ihm klimpern die Hosen, heruntergelassen
zeigt sich der Schaden. Das zu verhindern
gibt es Verkehr, was nicht verkehrt ist, denn zwischen
den Orten fängt sich, was Leben heißt, fängt
wieder an. Immer aufs Neue.
Was als Aufbruch begann, es endet als Flucht. Fluchend
bekehrt sich der Neuling, der weiß: jetzt oder nie. Also nie. Darunter
tust du es nie.

»Heut kein Au-pair-Mädchen! Liebling, lass uns die Zeitung
einmal anders verwenden« –

Wie dann? Was soll das? Warum denn?
Streng ihn an, deinen Grips. Aber schone ihn auch:
Was immer du vorbringst, es hält
keine Stunde. Du selbst
hältst keine Stunde. Doch doch, mach dir nichts vor, du bist
deshalb kein anderer wie diese Maschine,
die Psychen ausspuckt, ganz nach Belieben.
Maschine schon, da hilft kein Gebarme. Bewusstseins-
Welten kennt jeder, plural treibt
es jedes Gedächtnis und ohne es
siehst du alt aus. Ganz unter uns: Auch mit Gedächtnis
siehst du alt aus. Schonung, die braucht es. Gelegentlich wächst
ein Wald zwischen Pfosten im Nu und du wandelst – wandelst? –
zwischen harzigen Stämmen, die das Fürchten dich lehrten,
Daumesdick, der du bist, oder Naslang, vielleicht auch
Lady Heureka, unter dem Zahnfleisch liegt,
gut versteckt, doch nicht gut genug,
Identität.

Nicht gut genug. Das sagt sich dahin,
wenn es vorbei ist. Ungutes Ambiente:
»Schaufler putten dich ein.« Das hat
keinerlei Eleganz. Dagegen
geht einer an, solange es geht. Unter der Hand
wacht er auf und die Unruhe
geht durch ihn durch. Geht durch ihn durch und verlässt ihn,
zuckender Körper. Dagegen
hilft ein langes Bad, das die Parameter regelt. Oder
ein langes Gespräch mit dem Arzt. Oder
gleich Politik: Umschlagplatz der Gefühle. Das Unrecht,
das niemals abnimmt, zehrt die Substanz.

Die Politik... ist die Moral. Sie ist,
was zählt. Das andere
fällt unter den Tisch. Wer mag,
balgt sich im Dunkeln.
Umkämpft will sie sein, denn sicher
gehört sie keinem, und wer sich schneidet, verliert oder geht ein
ins Haus der Geschichte. Blut muss fließen und fällt
einer aus heiterem Himmel: ›va banque‹
buchstabieren sie alle, vom Ende her
dröhnt es im Chor. Der Abschied gibt Deckung.

Komm, setz dich ins Dunkel, Kind, mein blindes Aug
ist eines zuviel, lass uns teilen. Besser teilt es sich
durch Gebrauch. Sag nicht, du könntest nichts sehen.
Das ist wahr, aber es hilft niemandem auf. Vergleiche,
was immer du willst, ein leeres Auge
ist ein geräumiger Ort.

Wir sind auf dem Mars. Ein Sender
funkt Bilder zur Erde, den wir nicht kennen. Unsere
Expedition ist älter. Mit dem Staub leben,
das lässt sich lernen. Die ewige Suche nach Wasser
verdirbt den Geschmack. Gern hätten
wir denen, die kommen, den Becher geboten, aber
es kam nur Blech. Hörst du es schnarren? Das ist
keine menschliche Stimme. Keiner
gibt sich mit Lautsprechern ab, der seine Sinne –

Die Senke dort drüben, kleine Kuhle,
dort lass uns liegen. In jede Mulde
nistet sich Menschliches ein, das ist ›gegeben‹. Wir aber wollen nur
still sein und schauen: den gelben Himmel, der näher
uns steht als die scharrende Hand, die rötlichen Felsen,
nahtlos aus Dunkel erwachsen. Wereld, ein Topos, drauf hockt
Gevatter Tod, ein dürrer Bekannter, er trägt sein Gerippe
unter dem Tuch, das ihn weitläufig einhüllt.
Schweigsamer Bursche. Zäh. Wir wollen ihn kränken,
das gibt ihm Kraft und hilft ihm durchs Alter. Daneben,
klüglich daneben, auf weiter Fläche, entdeckt sich die Schwärze,
zeigt, was es gibt, wenn es gäbe, doch davor
schreckt es zurück. So legen die Bilder sich unter,
mit denen wir kamen. In dieses Tal
kamen wir früh. Eine Schlucht meinetwegen, doch
man hört keine Schluchzer. So erübrigt
diese Rede sich auch. Im Sonnensystem
steht unser Paddel auf Ankunft. Morgen brechen wir auf.

Zwitschermond. Leichte Verstimmung und schon
kreist der Trabant. Wer ihn betret-
en will, erntet nur Hohn. Also, unbetreten, ein Wunsch-
Ort, dreht er sich fort, ein Erbe der Zeichen, Ziel,
das sich niemals ergibt. Unsinn, mit flüchtiger Hand an die Tafel
gemalt und gelöscht. Sich niemals ergibt. Außer im Wortspiel.
Macht Lahme gehen und Blinde
hören die Stimmen des Lichts, die sich nie
einigen können, denn das
brächte ein Ende des Spiels und den Anfang von etwas,
das Scheu weckt. Die Verwandlung des Lichts
in Wärme ist auch ein Projekt, aber eines, das kalt lässt.
Dafür gibts Fördermittel, gewiss, das Abgreifen liegt
allen am Herzen, das schlägt, als gelte es, Pflöcke
einzutreiben gegen das Fließen, das es bewirkt.

Hingestrichelt ins Licht, blütenbesät –
mit silbernem Griffel
flüchtig skizziert, der tägliche Frost
geht drüber hinweg, eindrücklich, doch
was sichtbar ist, bleibt. Das Heer der Befruchter
fällt ein, fällt aus. Zur Zote gerät
Verwunderung leicht. Darauf
lässt sich verzichten. Oder auch nicht: Ventile
sind gewiss nötig. Sie zeigen dem Zartsinn, was ihn erwartet,
wenn er nicht spurt. Oder der andere. Das Erbärmliche rudert
immer zurück, entsetzlich roh
geht er zur Sache. Das ist kein Männerproblem.

Nicht Raum geben, nicht, oder doch, eben dies –
Jongkindsches Segel, nicht schlaff, nicht geschwellt,
passierbar die Flut, die –. Was nicht bleibt, kann so bleiben,
weil es nicht fragt, beiläufig aus Gründen,
die weiter abliegen, Küstenstücken, begafft von
verschwundenen Augen an verschwundenen Wänden
zu verschwundenen Zeiten oder,
wie das da, heute. Zeiten gab es, da malten
erwachsene Männer den Mond: nicht ein-, nicht zweimal,
ein Leben lang. Nervig, mag sein. Solange ihr Pinsel
die Scheibe aus Leinwand traktierte, was
empfanden sie da? Praktisch nichts. Ins fast fertige Bild
den Mond einfügen, davor hat einer Respekt, den anderen sagt es nichts.
Nicht fragen. Tun. Das Dürfen
beschädigt die Leute, die sich der Menschheit verschreiben
als bittere Pille. Oder als süße. Ob’s schreckt? Im fernen New York
verteilt einer Einfälle, köstlich,
die nach nichts schmecken, ogott, selbst der Geruch
kommt nicht rüber: ein Lockruf, auf halbem Weg –
stecken geblieben im transatlantischen Werben –
der Rest trifft jeden. Nicht jedem verständlich,
aber er brabbelt, wie’s geht. Brandung
kennt keine Worte, sie schluckt sie. Um Fassung
wird nicht gerungen, man hat sie oder es schert
einen nicht weiter. Was zählt, ist die Sicht. Sie muss gut sein.
Fällt die Kinnlade, dann
verändert sich eine Visage, wird
kenntlich vielleicht oder unkenntlich.
Vertrauen hebt. Bekenn dich. Ein Ressentiment
wirft dich zurück. Lichtjahre. Virtuell sind sie alle, ein bisschen
Virtus ist immer dabei, wenn die Einfachen sterben.
Viel sagt das nicht. Schließlich vereint dich der Abstand,
der dich verletzt. Möglich, er fällt
aus und du gehst
ein in die Stadt der Genüsse.